Das Piratenkleider-Theme, dessen Vergangenheit und Zukunft

Piratenkleider heißt das WordPress-Theme, welches bei immer mehr Websites der Piraten zum Einsatz kommt. Es liegt inzwischen in der stabilen Version 2.10 vor. Siehe piratenkleider.xwolf.de.

Es wird nicht mehr allein nur bei der Bundeswebsite, verschiedenen Landesgliederungen (bspw. piraten-brandenburg.de), Kreisen und Regionalverbänden verwendet, sondern auch bei verschiedenen ausländischen Piratensites. Bspw. in Österreich, Luxemburg und der Türkei.

Die frühere Version 1.x war dabei das Original, welches jedoch unzählige Mängel hatte. Diese Mängel einzelnt aufzuzählen und auseinanderzunehmen würde sicherlich eine gewisse humoristische Einlage liefern.
Ich lasse das sein und sage dazu nur: internetaffin ist nicht gleichbedeutend damit, dass die damit bezeichnete Personengruppe auch aus Internet-Experten besteht. Genauso wenig wie die Mitgliedschaft in einem Autoclub bedeutet, dass die Mitglieder allesamt in der Läge wären, einen funktionierenden Automotor zusammenzubauen. Auch wenn man denkt, man kann es, kann man durchaus daneben liegen.

Bild failblog.org: Sure, we can…

Leider Gottes aber ist beim Internet irgendetwas anderes in den Köpfen vieler Leute. Es scheint fast so, als ob ein, zwei Jahre mehr oder minder erfolgreiches Bedienen eines Browsers manche dazu verleitet zu denken, sie wären auch Experten bzgl. Webdesign oder gar Webprogrammierung.  (Dieses ist aber keinesfalls nur beschränkt auf Piraten!)

Man stelle sich vor, wenn Mitglieder eines Autoclubs, die gerade mal zwei Jahre  halbwegs verkehrssicher mit dem Auto unterwegs sind (nach der Meinung des nachfolgenden Autofahrers fragen wir jetzt mal nicht) sich einbringen würden in Design und Technik eines neuen Autos.

Ob das gut gehend würde?

Von daher bitte ich darum, eines zu akzeptieren: Wer internetaffin ist, ist noch lange kein Internet-Experte.

Piratenkleider 2.x

Die allergrößten Bugs und Fails in Sachen Benutzbarkeit und  Barrierefreiheit wurden ja bereits in den frühen 2er Versionen behoben.

Was hat sich getan?

Grundsätzlich:  Sehr, sehr viele Mängel hinsichlich der Barrierefreiheit der Website wurden behoben. Dies erforderte einige Änderungen, die sich aber in der Regel positiv für alle und die Gsamtfunktionalität auswirkten.  Details zu diesen Punkt erspare ich jetzt.  Daher hier nur ein grober Überblick:

Inhaltsbereich

  • Ist etwas breiter geworden.
  • Hat nun für Artikel eine neue Funktion („Steckbriefe“),    die für das Presseteam eine Bereicherung sein sollte, wenn   es sich z.B. um persönliche Berichte o.ä. handelt.
    Echtes Einsatzbeispiel hier:  http://piraten-erlangen.de/2012/07/18/mehr-demokratie-im-internet-ein-tag-in-der-schule/
  • Ab der Version 2.10 steht ebenfalls eine Option zur verfügung mit der die Sidebar durch den Benutzer abblendbar ist und so der Inhalt die gesamte Breite nutzen kann.

Menu

  • Es gibt nunmehr eine sinnvolle Dokumentengliederung
  • Das Menu hat mehr Platz bekommen und erlaubt jetzt dass wir   ggf. 2 weitere Menüpunkte einbauen.   (Aus Usabilitygründen sollten aber nie mehr als 7 Menüelemente verwendet werden).
  • Es erfordert bei Unterseiten mehr Disziplin, damit diese logisch einem Oberpunkt zugeordnet werden.

Stickerlinks oben rechts

  •  Sind nun jederzeit für Aktionen und anderes änderbar. Auch von Nicht-Grafikern, da dort keine Grafiken mehr verwendet werden.
  •   Es können statt zwei bis zu drei dieser Links eingebaut werden.

Teaserlinks rechts, neben dem Slider (Wechselbilder)

  •  Sind ebenfalls vollumfänglich und jederzeit änderbar. Zeitlich befristete besondere Aktionen können auch mit diesen Links unterstützt werden.
  •  Die Symbole vor den Texten sind nun auch im Backend auswählbar; Es gibt etwa 2 Dutzend Möglichkeiten

Slider (Wechselbilder)

  • Slider können jetzt angehalten werden
  • Titellänge etc konfigurierbar
  • Kategorie der Slider-Artikel auswählbar

Social Media Icons

  •  wurden geändert, so dass sie leichter konfigurierbar sind.
  • Die Position oben links neben dem Tool-Menu ist  natürlich auch ein- und abschaltbar. Ausserdem kann man die Icons auch alternativ links vom Inhaltsbereich anzeigen lassen.
  • Es stehen nun nicht nur Twitter, Facebook und YouTube zur Verfügung, sondern auch noch viele weitere.

Twitter-Integration

  • Ist nun ohne User-Tracking  durch die Twitterfirma realisiert.
    (Die vorherige Version war in JavaScript erstellt und sorgte dafür, dass bei dem Besuch der Website Twitter bescheid bekam).

Newsletter-Eingabefeld

  • ist nun Teil der Sidebar

Defaultbilder für Artikel und Seiten

  • werden automatisch eingebaut, falls mal wieder ein Artikelbild vergessen wurde

Aber das zweitwichtigste (nach der Barrierefreiheit) ist:  Es gibt nun eine Dokumentation auf der Website piratenkleider.xwolf.de!

Diese soll in Zukunft weiter wachsen.  Die vorherige Version hatte weder eine Dokumentation noch gab es Wikiseiten, die irgendeine hilfreiche Information hergaben, was man tun musste um das Theme zu betreiben…

Inzwischen kommen nur immer mehr Sonderwünsche dazu, die das Theme für den breiten Einsatz tauglicher machen. Beispielsweise die  gliederungsspezifischen Linklisten, die Sprachversionen und andere Dinge.
Dennoch sehe ich langsam das Ende der Entwicklung kommen. Das Theme kommt immer mehr an einen Punkt, wo Erweiterungen an die Grenzen des  vorgegebenen Designs stoßen.

Design

Das Design von Piratenkleider ist wie ein alter Öltanker:

Behäbig. Breit. Fett. Schwer. 

Wenn man es in Photoshop-Raster entworfen hat, mag es eine Weile lang  doch ganz nett anzuschauen sein. Aber beim Alltag offenbart es einfach  zu viele Schwächen.  Die Farben sind so verwendet, dass sie sich in den  Vordergrund rücken. Insbesondere die Sidebar rechts ist sehr ausgeprägt.  Die Inhalte dagegen sind weniger präsent.

In der ursprünglichen Version 1.1 war es sogar noch schlimmer, weil dort  der Inhaltsbereich noch kleiner war. Ganze 500 Pixel wurden im Original  dem Inhaltsbereich gegönnt…

Achtung, jetzt kommt ein Rant

Meine Intention warum ich die 2er Version gemacht hab, war Idealismus: Ich bin Netizen und Pirat. Als Netizen und Pirat ist  Freiheit für mich eines der höchsten Güter überhaupt.

Insbesondere der freie Zugriff auf Informationen und Wissen.
Für dieses müssen wir eintreten und kämpfen.

Freier Zugriff bedeutet aber auch, dass jeder Mensch das Recht auf gleiche Teilhabe hat. Wenn wir Menschen dadurch ausschließen, dass wir Ihnen nicht die gleiche Teilhabe ermöglichen, läuft dies auf Diskriminierung hinaus. Und manchmal läuft es nicht nur gefährlich nahe  dahin, manchmal ist es das auch. Nämlich dann, wenn es im vollen Bewusstsein geschieht; also aus einer Entscheidung heraus passiert. Die Entscheidung nämlich, sich zu Lasten von Betroffenen die Mühe nicht zu machen und die Website sorgfältiger zu betreiben

Ich rede von Barrierefreiheit im Internet.

failblog.org: Epischer Fail Hinweiszeichen

Wenn Webseiten derart gestaltet werden, dass Menschen mit Behinderungen Probleme damit haben, die Inhalte abzurufen, werden diese von der Teilhabe ausgeschlossen. Wie kann ich mir erlauben, von Freiheit im Internet zu reden, wenn ich gleichzeitig als verantwortlicher Sitebetreiber einzelne Menschen aufgrund körperlicher Besonderheiten ausschließe?
Das geht nicht! Freiheit ist unteilbar. Sie muss für alle gelten.

Als Netizen ist es für mich daher untragbar, wenn Menschen oder anderen Wesenheiten der gleichberechtigte Zugriff auf Informationen im Internet verwehrt wird. Als Pirat fühle ich mich beschämt, wenn andere Piraten dies aus Unwissenheit oder aus egoistischen Beweggründen tun.
Und wenn dann zusätzlich zu Tage kommt, dass die Probleme mit der Barrierefreiheit lang bekannt waren, aber niemand der Verantwortlichen dagegen etwas tat, dann hab ich keine Scheu mehr, von bewusster Diskriminierung zu sprechen.

Als die Bundeswebsite nach mehreren Wochen im April noch immer keine Zeichen von Verbesserung oder Korrekturen aufwies, wurde ich langsam unruhig. Dabei hab ich selbst bereits Ende März, einen Tag nach dem Relaunch meine Unterstützung angeboten und war auch im damaligen Bug-Pad aktiv… Warum geschah da nichts?

Die Antwort war: Die Leute, die Piratenkleider 1 erstellt haben, haben sich nach den ersten ernsthaften und begründeten Feedback aus dem Staub gemacht. Ohne jedes Wort und ohne auf Kontaktversuche zu reagieren.

Als dann -man wird sich erinnern- zur selben Zeit wegen banalen Streitereien zwischen einzelnen Parteimitgliedern, aber auch wegen unangemessener Vergleiche einiger Vorstände in der Presse, das Thema Diskriminierung hervorkam und lauter offene Briefe und Appelle gegen eben jene unterschrieben wurden, wurde ich wütend:

Nicht wegen der Briefe und der Aufrufe gegen Diskriminierung. Das war eine gute Sache.

Aber wegen einiger Unterzeichner.
Denn darunter waren auch diejenigen, die für Piratenkleider 1 verantwortlich waren.

Was denken die Leute sich? Wie verlogen kann man denn sein? Die unterschreiben Aufrufe gegen Diskriminierung, aber betreiben wissentlich Webangebote, die Menschen mit Behinderung ausgrenzen?!  Und sie tun nichts dagegen; Sie versuchen es nicht einmal!

Im Gegenteil. Menschen mit Behinderungen werden oft als Bittsteller gesehen, deren Wünsche man vielleicht mal erfüllen könnte. Und dann müssen die sich auch noch brav bedanken, dass man sich die Mühe gab…

O-Zitat eines Vorstands:

„Barrierefreie Website? Ist nicht mein Job. Da hab ich jetzt keine  Zeit für. Kannst du ja selbst machen, wenn du das willst.“

Man stelle sich vor, jemand würde selbiges beim Thema Geschlechterdiskriminierung oder Rassendiskriminierung sagen: „Gleiche Rechte für Frauen? Ja kümmer dich doch selbst drum, wenn du das willst“… Derjenige, der so was sagen würde, würde einen Shitstorm auf sich zukommen sehen, der sich gewaschen hätte. Und dies zu recht!

Aber wenn es um Menschen mit Behinderungen, um gleiche Teilhabe für alle geht? Dann auf einmal ist das ok? Das kann, das darf nicht sein.
Ich bin Pirat. Als Pirat handle ich. Ich jammere nicht rum, sondern tue etwas.

Spaßbild: Admins verzeihen nie

Und deswegen nahm ich mich des Themes an.
Ich tat es nicht, weil ich Spaß daran habe, fremden Krüppelcode zu korrigieren!

Jetzt ist die Arbeit im Wesentlichen getan. Was dieses Theme betrifft. Mit dem längst überfälligen Relaunch der Bundeswebsite und auch anderer Piratenwebsites habe ich meinen Teil geleistet um dieses Makel der Diskriminierung von den Piraten zu nehmen.
Und doch ist die Arbeit nicht ganz getan. Es gibt immer noch viele Gliederungen, die andere Themes verwenden, die ebenso Menschen mit Behinderungen daran hindern, Inhalte abzurufen. Die aber nicht auf das aktuelle und nun barrierearme Piratenkleider-Design wollen.
Warum? Weil es ihnen nicht gefällt!

Dies kann man sich ruhig auf der Zunge zergehen lassen: Der persönliche Design-Geschmack ist hier Einzelnen wichtiger als die gleichberechtigte Teilhabe anderer…

Wie lösen wir dieses Problem? Nicht durch Zwang.

Durch Shitstorms?  Dann traut sich am Ende niemand mehr Websites zu machen. Und damit verhindern wir auch Informationsfluss. Das ginge nach hinten los.

Die Lösung ist: Wir brauchen ein breiteres Angebot an barrierearmen Designs.

 „Piratenkleider JR“

Und dies ist daher meine nächstes Ziel. Ein neues Piratenkleider. Ein „Piratenkleider JR“.

JR steht für „Jetzt (machen wir es) Richtig.“

Im September möchte ich mit einem neuen Design beginnen. Hierzu suche ich mindestens einen weiteren Piraten; Einen genauso naiven Idealisten wie ich es bin :)
Jemanden, der oder die Webdesign kann. Genauer gesagt: Eine oder ein CSS-Designer.

Es wird kein offizielles Projekt geben. Auch keinen langwierigen Wettbewerb, so wie es die AG Website tat. Stattdessen wird das Projekt -obgleich es nicht geheim gehaltenwird- gezielt Kontakt mit Experten und Fachleute aufnehmen um die Wünsche und Notwendigkeiten zu erfahren.

Das neue Theme soll aber eine gleichwertige, wenn nicht bessere Alternative für Piratenkleider 2.x werden. Verschiedene IT-Leute bei den Piraten haben mir bereits zugesagt, ein neues Theme gerne in den WordPress-Plattformen aufzunehmen. Daher würde ein neues Theme, wenn es denn attraktiv genug ist, von unten nach oben Verbreitung finden.

Wer Interesse hat, als CSS-Designer oder als PHP/Wordpress-Entwickler mitzumachen, möge sich bei mir melden. Gern auch vertraulich via E-Mail.

Aber eines ist klar: Wir müssen was tun.

Klarmachen zum ändern!