Liberale Rechts(lobby)kultur

Stephan Thomae, seines Zeichens Rechtsanwalt und Mitglied der FDP, war offenbar ungehalten; Sebastian Nerz, der Bundesvorsitzende der Piratenpartei forderte zuvor die Reform des Urheberrechts.
Was für eine Blasphemie!

Entsetzt über diese Forderung, veröffentlichte er auch flugs eine Pressemitteilung, in der er unter anderem schrieb:

Entscheidend ist, dass die Piraten offenbar unsere Rechtskultur, den Respekt vor rechtmäßig erworbenen Eigentum und vor dem geistigen Eigentum grundsätzlich in Frage stellen.

Nun, ich vermute schon mal, dass mit dem „unsere“ zunächst erst mal die FDP gemeint ist. Die FDP, dies schreib ich hier sicherheitshalber mal auf für die nächsten Jahre, ist eine deutsche Partei.
Sie erlebte ihre Höhepunkte in den Jahren 1961 bis 1990.
(Im Wikipedia ist zum heutigen Datum noch ein Artikel zur FDP verzeichnet: http://de.wikipedia.org/wiki/Freie_Demokratische_Partei . Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass dieser Artikel in Zukunft auf Grund der strengen Relevanzkriterien entfernt werden muss).
Da sich die Partei nach 1990 weg von einer liberalen Grundrechtspartei hin zu einer reinen Klientel- und Lobbyvertretung entwickelte, verlor sie ab dem Jahr 2011 kontinuierlich an Unterstützung.  Seit dem Jahr 2012 muss die FDP bei Umfragen von Meinungsforschungsinstituten nur mehr als Sonstige- oder Splitterpartei betrachtet werden.

 

Wie auch immer, dies ist nicht das eigentliche Thema. Herr Thomae spricht von Rechtskultur.

Was mag er damit wohl meinen?

Im „Handbuch der Politischen Philosophie und Sozialphilosophie“ kann man u.a. zur Definition der Rechtskultur erlesen:

Der Begriff der Rechtskultur bezeichnet den Inbegriff der in einer Kultur wirksamen normativen Grundorientierungen , die sich in den dort jeweils geltenden Rahmenbedingungen politisch-rechtlicher Verhaltensnormierung und Institutionalisierung manifestieren.

und weiter

Als Teilgebiet einer Normkultur steht das Recht in einem Wechselverhältnis mit anderen Teilgebieten, „Sphären“ dieser Kultur: Moral, Politik, Religion, Geschichtsbewusstsein etc. Recht ist kulturgeprägt, aber auch seinerseits kulturprägend. Mit der Gestaltung und Fortbildung von Recht wird diese Normkultur (und mit ihr die Kultur als ganze) weiterentwickelt, in ihrem Charakter fortgestaltet oder verändert.

Rechtskultur ist also nichts statisches. Im Gegenteil kommt es zu einer gegenseitigen Prägung und Beeinflussung. Und dies muss auch so sein, damit sich Recht und Gesellschaft nicht voneinander trennen und das Recht eine von der Realität abgetrennte eigene Welt einnimmt.
Nebenbei  und ganz respektlos gefragt: Leben einige Anwälte hier möglicherweise in einer eigenen Welt? Ähnlich wie diese virtuelle Welten, in denen sich Computerfreaks dauernd bewegen sollen, die nicht an die Luft kommen und Frauen nur von YouTube kennen?  Gibt es hier gar eine geistige Verwandtschaft zwischen Computerfreaks und Anwälten?
Mich gruselts gerade. Ich wechsle besser das Thema!

Auch die Wikipedia schreibt unter dem Begriff Kultur:

Kulturleistungen sind alle formenden Umgestaltungen eines gegebenen Materials, wie in der Technik oder der Bildenden Kunst, aber auch geistige Gebilde wie etwa Recht, Moral, Religion, Wirtschaft und Wissenschaft.

Wie auch immer: Rechtskultur kennt den Wandel. Es ist Teil der sich stetig wandelnden Gesellschaft und Lebenswirklichkeit. Die Piratenpartei fördert und unterstützt durch ihre Vorschläge diesen Wandel, diese Fortentwicklung der Kultur. Dabei möchte sie Rechtssicherheit und eine gesellschaftlichen Akzeptanz für ein modernes und faires Urheberrecht schaffen.
Ganz so wie es auch Künstler selbst fordern:

Die Auslegung der Gesetze für das Internet sollte eindeutiger kommuniziert, am besten schriftlich veröffentlicht und in Schulen gelehrt werden, denn weder Internetnutzer noch Urheber/Seitenbetreiber können aktuell noch durchschauen, was legal ist und was nicht.

(Quelle: Eva Schumann, Urheberrecht aus Sicht eines Urhebers (Autor) )

Wer sich dagegen diesen notwendigen Wandel widersetzt und stattdessen Untergangsszenarien aufzeichnet tut weder seiner eigenen Zunft noch der eigenen Partei und noch viel weniger der Gesellschaft als ganzes was gutes. Er verharrt in der Vergangenheit.