Barrierefreiheit: Geduld mit Entwicklern und Designern?

Über den Artikel von Christiane Link: „Barrierefreiheit, Geduld und Zwang“ bin ich auf den Vortrag von Christian Heilmann bei A-Tag gestossen.

Er ist der Meinung (wie auf Folie 44 des Vortrags gezeigt), daß wir noch immer Geduld mit Entwicklern und Designern haben sollten. Wir sollten eher Verständnis für die Entwickler haben, die ja tolle Ideen haben, aber aus unterschiedlichen Gründen es nicht können. Wir sollten aufhören zu meckern gegen diese Entwickler und Designer.

Daran stößt sich Christiane, die zu recht darauf hinweist, daß man heute eben nicht mehr geduldig sein darf mit Web-Pfuscher, die nun, fast 10 Jahren nach der Einführung erster Richtlinien zum Thema noch immer nicht auf der Höhe der Zeit sind.

Christian hat recht, aber er liegt gleichzeitig auch daneben damit.
Ja, wir sollten erkennen, daß neue Techniken, insbesondere der Mashup-Trend, ein Umdenken erfordern und auch viel Leidenschaft und Interesse erfordern. Das geht nicht über Nacht. Man kann keine tolle Plattform aus dem Nichts einfach so hinstellen.
Nichts ist ärgerlicher für Entwickler und Designer, wenn wiedermal ein Auftraggeber oder User ankommen und meinen, das ganze geht doch einfach, das müsse schnell gehen und überhaupt kenne man einen Neffen, der das ganze auch nebenher machen kann.
Entwicklung und Design in Web verlangt Zeit, Kompetenz und Geduld. Un dnoch mehr, es bedeutet Zusammenarbeit und vorallem eine Art „open mind“. Sowohl die Entwickler als auch die Auftraggeber und User müssen auch aufgeschlossen gegenüber aktuelle Trends und erfolgreiche Konzepte sein.

Doch er liegt auch meiner Meinung zumindest mit der Folie daneben.
Und auch dem Ausspruch, daß Barrierefreiheit kein Zwang sein darf.

Er ist zwar zu recht der Meinung, daß man mit Emotion, Begeisterung, guter Schulung und Überzeugung mehr gewinnen könnte.
Aber er vergisst dabei, daß es viele Firmen gibt, die nicht so idealistisch und begeistert sind.
Denen das Web-Geschäft und der Mensch um den es laut Christian gehen soll, vollkommen egal ist.
Diesen Firmen geht es ums Geld. Und nicht um mehr. Nicht um Spaß, nicht um Begeisterung. Es sind dieselben Firmen, die damals, wie heute noch naiven Auftraggebern vorpräparierte „Lösungen“ auf Laptops und Klarsichtfolien zeigen. Die chefgerechte Websites herstellen und nicht den Hauch eines Gedanken daran verschwenden, wie selbige Website wohl bei den Usern ankommt.

Wir sollten keine Geduld mehr haben, wenn es um die grundlegende Einhaltung von Standards geht. Mehr noch: Es ist meines Erachtens nicht tollerierbar, wenn Entwickler mit veralteten Konzepten oder unflexiblen Lösungen (wie bspw. CMS-Systemen, die kein vernünftiges Framework haben und vielleicht auch noch der Firma Einnahmen für zwingend notwenige Autorenkurse bescheren) daherkommen und diese sogar noch als Innovation verkaufen wollen.

Barrierefreiheit ist ein altes Thema und auch ein Dauerbrenner. Und wir sollten wirklich nicht mehr über die Notwendigkeit von ALT-Attribute oder die Frage nach den richtigen Farbkontrasten im Web in Relation zu einem vorhandenen (Print-) Corporate Design diskutieren müssen.
Die Begeisterung die Christian wecken will ist richtig. Aber mit dem Glauben darin, daß alle wegen dieser Begeistzerung mitkommen werden, blendet er zu viel aus. Vielleicht aber auch liegt es daran, daß er in gewisser Weise bei seiner jetzigen Firma recht „wohlbehütet“ ist und daher nicht oft genug auf der anderen Seite war und sehen musste, wir skrupelose IT-Agenturen Geld abzockten für Müll.

Christian hat durchaus recht, wenn er sagt: Wenn die Leute es machen wollen, dann können sie es auch richtig machen.
Aber wenn sie kein Interesse daran haben und ihr eigener Gewinn vor den Menschen steht, dann brauchen wir Regeln.

Eine kleine Seitenbemerkung:
In seinen Artikel schreib Christian ein Absatz mit der Überschrift: „Barrierefreiheit ist ein internationales Problem“.

Das stimmt. Aber wie der Screenshot zeigt, ist das ungewollt auch technisch zu sehen:
barrierefreiheit-artikel-heilmann

Die Umleute in seinem Artikel sind aufgrund eines Fehlers bei dem Zeichensatz falsch dargestellt. Technisch nicht unbedingt falsch – wie Christian Heilmann am Anfang sagt. Jeder ist in der Nutzung seiner Richtlinien und Standards richig. Aber wenn man dann alles zusammen nutzen will, muss man „grenz“überschreitende Lösungen finden, die auch funktionieren.

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