Charta des digitalen Datenschutzes und der Informationsfreiheit

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar will Datenschutz und Informationsfreiheit, so wie er sie sieht, in einer Charta festschreiben.
Die erste Fassung ist auf bfdi.bund.de abrufbar.

Die Charta ist sicher eine nette Geste und eine schöne Idee.
Aber nach Lesen bin ich enttäuscht. Die Charta erscheint mir mehr als Bettelbrief gegenüber Konzernen und Bürokratie mit der Sichtweise auf das Netz vom Web 1.0-Zeitalter.

Das grundlegende Problem der Charta ist die Aufteilung der Welt in Verbraucher einerseits und Unternehmen und Staats andererseits. Alles was nicht in dieser Raster fällt, gibt es wohl nicht.

Was mir weiterhin missfällt ist das mangelnde Selbstbewusstsein. Zwei Dinge dabei:

  • Als Netizen hab ich nach Schaars Sicht lediglich den Anspruch auf Auskunft
    Wieso nur auf Auskunft? Es sind meine Daten. Wer die nutzen will, der muss von sich aus fragen oder den musste ich explizit willentlich selbst die Erlaubnis gegeben haben. Es ist nicht mein Job zu prüfen, ob Firmen oder Staat haben un d was sie damit tun, sondern die haben mich von sich aus zu informieren. Wenn jemand auf meine Daten zugreift, dann will ich wissen, er das ist und unter welchen Hintergrund (privat/dienstlich) der Zugriff geschieht.Ich weiss, daß dies derzeit Wunsch ist. Aber schließlich handelt es sich bei der ganzen Charta schließlich um den Aufbau eines Ideals.
  • Der Missbrauch meiner von mir veröffentlichten persönlichen Daten (wie bspw. private Meinungen in Blogs oder Bilder) wird mir selbst zur Last gelegt – ich hätte doch nicht so viel privates veraten müssen.
    Dies ist meines Erachtens eine grundlegend falsche Sichtweise, die endlich aus den Köpfen verschwinden muss. Es ist dieselbe Argumentation mit der es durch unzivilisierten Menschen zur Diskriminierung kommt. Weil unzivilisierte Menschen oder Gesellschaften selbst nicht reif genug sind, Tolleranz gegenüber der Freizügigkeit anderer zu zeigen, werden die anderen als Schuldige gesehen. Weil die Frau nicht ihr Gesicht verhüllte, wurden tierische Gefühle bei einem etwas geweckt, welches sich nicht beherrschen konnte… daher müsse die Frau bestraft werden.Ganz häufig wird in Bezug auf Daten das Beispiel vom Vorstellungsgespräch gebracht, in der man angeblich dann schlechte Karten habe, weil der zukünftige Chefs über 123people oder yasni private Details fand. Zum Beispiel ein Suffbild.
    Oh ja, hier ist dann schnell jeder bei der Hand und sagt, was man auch naiv und unerfahren war, so was ins Netz zu stellen.

    Dann bitte ein anderes Beispiel:
    Was, wenn der Chef Mitglied einer Partei ist, und im Netz dann findet, daß der Bewerber Mitglied einer anderen Partei ist? Und er deswegen dann ebenfalls ablehnt? Ach, auf einmal wäre das empörend?

    Diese Sichtweise muss weg. Wenn in einem Bewerbungsgespräch private Daten von Vertretern einer Firma genutzt werden, ist dies ein klarer Missbrauch. Auszugrenzen ist nicht der Bewerber, der vielleicht etwas über sich verriet, sondern ein negatives Beispiel zeigt die andere Seite, die ganz offenbar nicht in Lage ist, mit Daten verantwortungsbewusst umzugehen und privates von geschäftlichen zu unterscheiden.
    Aber mal im Ernst: Wer will bei einer Firma arbeiten, bei der man es mit unreifen Menschen zu tun hat, die privates nicht vom beruflichen unterscheiden können?
    Es gab früher ein Spruch: Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps.

Bei letzterem wäre übrigens auch meine erste Forderung bzgl. der Zugriffskontrolle auf Seiten des Netizens eine Variante um den Missbrauch durch unreife Menschen einzuschränken.
Wenn ich weiss, worauf das Unternehmen zugriff und welche Daten es von mir laß, dann kann ich mich auch darauf vorbereiten.

Wie oben bereits gesagt, spiegelt die Charta die Sichtweise auf das Netz vom letzten Jahrtausend wieder.
Heutzutage bestehen viele Angebote jedoch auf Dingen, die gleichzeitig von verschiedenen Personen gemacht werden. Der frühere Nutzer wird zum Mitgestalter von Informationen.
Beispiele sind hier auch ganz klassisch Foren und Blogs. Wer ist da der Anbieter von Informationen? Der Autor, der Plattform-Betreiber? Wer hat dort eine Bringschuld gegenüber wem zu erfüllen? Ich als Anbieter einer Information die ich in einem Artikel schreibe? oder der Anbieter der Plattform darüber, wie er speichert?
Wenn ich als Autor beispielsweise einen Artikel schreibe, der eine Dritte Person zum Gegenstand hat, hab ich dann ggf. auch eine Bringschuld gegenüber diesen? Was, wenn danach noch jemadn meinen Artikel zitiert oder daraus Schlüsse zieht und wieder einen eigenen Artikel schreibt? Welche Informationskette sollte dann eingehalten werden? Wer ist da noch Verbraucher, wer Autor, wer Unternehmer?

Diese Fragen werden in der Charta total ausgeklammert.
Es sind aber Kernfragen. Auf diese Fragen muss die Charta aber auch eingehen, wenn sie nicht mehr bleiben soll als ein naiver Bettelbrief an eine Welt von gestern oder an uneife Net-Newbies von heute.